Durchsetzen von Einsparpotential hat einen hohen Preis
Der Weg in ein Arbeitsverhältnis kann – je nach individuellen Voraussetzungen – die Überwindung verschiedener Hindernisse erfordern. Um junge Menschen in diesem Prozess zu unterstützen, gibt es einen gesamtheitlichen Ansatz zur Betreuung von Bedarfsgemeinschaften.
Die Bundesregierung plant nun, diese derzeit von den Jobcentern (JC) geleistete Betreuung aufzugeben. Zukünftig sollen junge Erwachsene unter 25 Jahren durch die Agentur für Arbeit (BA) bei der Arbeitssuche betreut werden. Das könne eine Summe von 900 Millionen Euro einsparen.
Was auf den ersten Blick wie eine geringfügige Verschiebung von Aufgaben wirken mag, kann man bei näherem Hinsehen als „radikalen Systemwechsel“, verbunden mit „weitreichenden gesellschaftlichen, organisatorischen und personellen Folgen“ werten – so tut es z.B. die Süddeutsche Zeitung (vgl. Ausgabe vom 08.07.2023, S. 6). Denn abgesehen davon, dass die Jobcenter zur Erfüllung ihrer arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Aufgaben eine angemessene Mittelausstattung benötigen (u.a. aufgrund von Mehraufwendungen in der Pandemie, Energiekrise, durch Inflation, Migration …) – was auch durch eine gemeinsame Erklärung von Bundesagentur für Arbeit, Deutschem Landkreistag und Deutschem Städtetag unterstützt wird –, ist fraglich, inwiefern der dort praktizierte Ansatz in der BA umgesetzt werden kann/wird.
„Die im Raum stehenden Veränderungen sind nicht nachvollziehbar und werfen ein ganzes Bündel von Fragen auf. Hierbei durchkreuzen sie den Ansatz, dass der größtmögliche Teil der Zielgruppe U25 möglichst dauerhaft in den Arbeitsmarkt einmündet.
Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente des SGBII (Sozialgesetzbuch) würden bei dem Systemwechsel zur BA nicht verfügbar sein,“ sagt
Alfred Brosch (Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU Fraktion). „Selbst wenn wir das Ziel zu einem möglichst ausgeglichenen (Bundes-)Haushalt zurückzukehren für wichtig erachten, rechtfertigt es nicht jedes Mittel!
Nun, die verständliche Kommunikation ist nicht gerade die Stärke der Ampelkoalition in Berlin. Auch bei unseren eigenen Recherchen gab es auf Fragen kaum Antworten, selbst bei denen, die im bisherigen System beste Kenntnisse haben. Neben der Vielzahl rein fachlicher und organisatorischer Fragen dieses Systemwechsels kommt man nicht daran vorbei, sich mit der Maßnahmenbegründung zu befassen. 900 Mill. Euro sollen eingespart werden. Wie kann das gelingen, wenn de facto doch kein Aufwand entfällt, sondern dieser lediglich bei den JC entfällt und von der BA erbracht wird? Ganz unabhängig von der Betrachtung, ob hierdurch nicht Doppelstrukturen aufgebaut würden?“
Mit Mathematik ist der Berliner Sparansatz nicht erklärbar bei der bestenfalls angenommenen Aufwandsneutralität dennoch dieses Einsparpotential zu generieren. Viel wahrscheinlicher ist daher, dass die 900 Mill. Euro tatsächlich bei den Jobcentern gekürzt, dann aber nicht der BA zugeführt werden, wobei alle künftigen Aufwendungen/Fehlbeträge auf der BA-Seite aus beitragsfinanzierten Anteilen zur Arbeitslosenversicherung ausgeglichen würden. Um es deutlich zu sagen: Eine Erhöhung der Sozialbeiträge, rein zu Lasten der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberschaft. Ob das verfassungskonform wäre, ist ebenfalls fraglich neben weiteren Fragen: Wie wird die bedarfsgerechte Steuerung im Umgang mit beteiligten kommunalen Trägern organisiert? oder: Wie sehen die Schnittstellen bei der Einordnung der Zielgruppe U25 aus?
„Mit Blick auf Gelsenkirchen und die örtlichen Herausforderungen bestehen erhebliche Zweifel, dass dieser Systemwechsel uns auf dem Weg, möglichst viele junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wirklich weiterbringt. Bei dem angedachten finanzpolitischen Schachzug ist eher das Gegenteil zu befürchten,“ so
Brosch abschließend.