Rede des CDU-Fraktionsgeschäftsführers Sascha Kurth im Rat der Stadt am 13.4.2016:
Anrede, die Betrachtung und Entwicklung des Gelsenkirchener Wohnungsmarktes ist aus Sicht der CDU Fraktion ein wichtiger Schritt für die zukünftige Weichenstellung unserer Stadt. Deshalb ist aus Sicht der CDU an dieser Stelle von besonderer Wichtigkeit, dieses Thema global und ganzheitlich zu betrachten. Und um genau dem Rechnung zu tragen und keinen wichtigen Aspekt für unsere Stadt außer Acht zu lassen, haben wir für die Sitzung heute einen erweiterten Antrag gestellt. Lassen Sie uns an dieser Stelle zuerst aber einen Blick in die Vorlage der Verwaltung werfen. Die Vorlage listet drei primäre Punkte auf, an denen die Verwaltung tätig werden möchte. Dies ist zum ersten der Fokus auf Bestandsimmobilien. Auch aus Sicht der CDU Fraktion ist es wichtig, genaue Werte für die Leerstandsquote in Gelsenkirchen zu ermitteln. Das ist schon allein deshalb wichtig, um uns – auch vor dem Hintergrund der weiteren Punkte dieser Vorlage – eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu verschaffen. Dabei geht es um den wirklichen Leerstand in Gelsenkirchen. Und dabei geht es auch darum zu wissen, wieviel von diesem Leerstand für den Mietwohnungsmarkt aktivierbar ist und welche Anstrengungen wir dafür unternehmen müssen. Dabei geht es auch im private Eigentümer, die wir möglicherweise in die Pflicht nehmen müssen. Denn der Zustand von Wohnraum hängt auch immer maßgeblich vom Eigentümer ab, und der Zustand und die Qualität unserer Stadtquartiere hängt auch maßgeblich vom Zustand und der Qualität des darin angebotenen Wohnraumes ab. Deshalb begrüßen wir an dieser Stelle auch ausdrücklich konzeptionelle Vorschläge wie die immobilienwirtschaftlichen Streetworker, die ihren Beitrag zur Aktivierbarkeit und damit zu einer Bestandsverbesserung leisten können. Damit sind wir auch beim zweiten Fokus der Vorlage: Möglichkeiten zur Bestandsverbesserung und die Beseitigung von dysfunktionalem Wohnraum. Auch hier ist es aus Sicht der CDU Fraktion wichtig, die erfolgreiche Entwicklung des Themas Schrottimmobilien fortzusetzen, dass ja auf eine Initiative unseren heutigen Bürgermeisters Werner Wöll zurück geht. Die Maßnahmen der letzten Monate und Jahre haben hier gezeigt, dass Handeln nötig ist. Der dritte Fokus der Vorlage – die Prüfung der vorhandenen Wohnflächenpotentiale auf ihre Eignung zum Bau – führt uns jedoch die Zwickmühle vor Augen, in der wir uns in Gelsenkirchen befinden. Ich zitiere dazu aus der Vorlage: „EU-Zuwanderer und Flüchtlinge verschärfen aktuell die Nachfrage nach preiswertem Mietwohnraum und treten auf dem Wohnungsmarkt damit gewissermaßen in Konkurrenz zu anderen preiswerten Wohnraum nachfragenden Nutzern, wie etwa Leistungsempfängern nach dem SGB.“ Wenn wir uns die Erkenntnis vor Augen führen, dass wir mit einem hohen Wohnungsleerstand zu kämpfen haben, lässt dies nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder der Leerstand ist größtenteils mit höherpreisigen Segment zu finden und hier fehlt die Nachfrage oder Wir haben in Gelsenkirchen mit einem Qualitäts- und nicht mit einem Quantitätsproblem im niederpreisigen Segment zu kämpfen. Die Antwort auf diese Frage kennen wir hier alle – wir haben an vielen Stellen und in vielen Quartieren ein Qualitätsproblem. Auch aus der Vorlage geht dies mit Bezug zum Alter und dem Zustand der Immobilien hervor. Daher ist die Betrachtung des Neubaus von Wohnungen – auch denen mit öffentlicher Förderung – aus Sicht der CDU Fraktion zu kurz gesprungen. Wenn wir Qualität benötigen, Qualität neu bauen, nimmt uns das allein nicht den Leerstand ab. Und solange der Leerstand bleibt, bleibt auch ein Abwärtsdruck auf das Mietniveau in unserer Stadt, bleibt damit eine Belastung auf die erzielbaren Mietpreise, eine Belastung auf die Investitionen in Instandhaltung oder aber auch in Neubau durch Investoren und damit am Ende des Tages auch wieder eine Belastung auf die Qualität der Wohnungen in Gelsenkirchen. Dabei ist – erlauben Sie mir diesen Hinweis – auch die langfristige Perspektive fraglich: Die Bevölkerungsentwicklung in Gelsenkirchen zeigt langfristig weiterhin abwärts, eine aktuelle Studie der Postbank aus März 2016 sagt uns eine weitere Schrumpfung um fast 9 % bis 2030 voraus und damit auch einen nachfragebedingten Preisdruck auf Mieten mit über 30%. Und dabei ist Zuwanderung und die Flüchtlingssituation bereits berücksichtigt. Auch für die langfristige Entwicklung unserer Stadt ist die breite Nutzung von Wohnbauflächen fraglich. Wir haben bereits heute eine Situation, in der eine weitere Verdichtung, eine weitere Nutzung der wichtigen und begrenzten Flächen, die wir noch haben, wohlüberlegt sein will. Der Wettkampf zwischen den Kommunen wird in Zukunft, in den kommenden Jahrzehnten, auch über zur Verfügung stehenden Flächen für Wohnungsbau oder für Gewerbe und Industrie entschieden. Daher ist für die CDU Fraktion klar: Kein Neubau ohne Konzept. Kein Neubau ohne Perspektive für Entwicklung, Rückbau oder Bestandsverbesserungen für bestehenden Wohnraum. Keine unnötige Verdichtung. All das kann man – mit etwas Wohlwollen – aus der Vorlage lesen. Wie Sie meinen Ausführungen entnehmen können: Die Argumente der Vorlage sind nicht in Gänze falsch – wir müssen über sie im Detail sprechen, Probleme angehen und auch darüber sprechen, ob die Schlussfolgerungen richtig sind. ABER: Die Vorlage, der Beschlussvorschlag, den wir hier heute diskutieren, spart einen wichtigen Bereich für Gelsenkirchen komplett aus: Eigentum. Gelsenkirchen hat mit einer Eigentumsquote von knapp 22% die rote Laterne in ganz NRW. Das bedeutet: In keiner anderen Stadt in NRW haben weniger Menschen Eigentum an ihren eigenen vier Wänden, als in Gelsenkirchen. Das, Anrede, muss uns hier aufrütteln! Dabei ist Eigentum wichtig für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für uns als Stadtgesellschaft: Eigentum kann Standortfaktor sein, um jungen Familien die Zukunft in unserer Stadt zu eröffnen, einen Wegzug zu verhindern und den weiteren Weg in unserer Stadt zu ebnen. Eigentum kann Altersvorsorge sein. Eigentum kann zur Qualität des Wohnraumes beitragen, damit zur Qualität des Umfeldes und zur Qualität des Quartiers. Und die Schaffung von Eigentum schafft immer auch neuen Spielraum im Mietwohnungsmarkt. Deshalb ist unsere Vorstellung als CDU Fraktion, unser Anspruch, wenn wir über den Wohnungsmarkt in Gelsenkirchen sprechen, die Eigentumsquote in den Blick zu nehmen. Deshalb ist es für uns unabdingbar, mit dem heutigen Beschluss auch die Förderung von Eigentum zu forcieren. Sei es über finanzielle Anreize. Über Information oder politischen Willen. Die konkreten Maßnahmen lassen sich hier genau wie bei den anderen 3 Punkten der Vorlage heute noch nicht absehen, gehören für die CDU zum Wohnungsmarkt aber wie selbstverständlich dazu. Die Schaffung von Wohneigentum alleine ist kein Allheilmittel. Aber ohne Eigentumsmaßnahmen sind auch die hier vorgeschlagenen anderen Punkte kein Allheilmittel. Und deshalb, Anrede, ist eine politische Betrachtung des Themas Wohnungsmarkt und Wohnbauflächenentwicklung nur vollständig, wenn wir es ganzheitlich und damit inklusive der Eigentumssituation in unserer Stadt betrachten. Eine halbe Lösung – auch wenn nicht grundsätzlich falsch – kann hier heute daher nicht die Zustimmung der CDU Fraktion finden, wenn sie wichtige Bereiche ausspart. Lösen sie sich von Ihrer ideologischen Brille. Lassen sie uns das Thema gemeinsam ganzheitlich zum Wohle der Stadt angehen. Stimmen sie dem erweiterten Antrag der CDU Fraktion zu. Vielen Dank.