CDU Ratsfraktion Gelsenkirchen

Sonntagsöffnung für 2018 - Rat der Stadt am 22.02.18

Rede des Fraktionsvorsitzenden, Wolfgang Heinberg

Anrede,

nicht alles was Recht ist, muss auch richtig sein – diesen inhaltlichen Grundtenor habe ich vor einigen Jahren zum Dreh- und Angelpunkt meiner Rede hier im Rat der Stadt Gelsenkirchen zum Thema Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen gemacht und damals damit meine ablehnende Haltung zum Thema begründet.
 
An meiner persönlichen und grundsätzlichen Haltung zum Thema Ladenöffnung hat sich bis heute nichts geändert! Ich bin „gestern“ wie heute gegen eine Kommerzialisierung aller Lebensbereiche und aller Lebenszeit. Ich halte die auch von Frère Roger, dem Prior der ökumenischen Bruderschaft von Taizé beschriebene Grundhaltung „Kampf und Kontemplation“ für richtig, was an dieser Stelle für mich bedeutet: für den Rhythmus von Leben und Alltag braucht es Zeiten des Tuns und der Arbeit und Zeiten der Ruhe, des Müßiggangs, letztlich Zeiten der persönlichen und gemeinschaftlichen Freiheit. Und diese Grundüberzeugung jetzt gespiegelt auf das Thema Einzelhandel und Ladenöffnung heißt für mich: Die immer stärker um sich greifende 24/7-Mentalität auf der Anbieter- wie auf der Konsumentenseite, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, halte ich  für falsch!
 
Anrede,
wie verhalte ich mich also als gewähltes Mitglied des Rates bei einer Abstimmung, wie sie heute ansteht? Für mich eine „doppelte“ Fragestellung, denn ich muss mich jetzt entscheiden, wie ich mich als Stadtverordneter ganz persönlich positioniere und welche Haltung, vielleicht auch Vorgabe ich in meiner Rolle und Aufgabe als Fraktionsvorsitzender für meine Fraktion und gegenüber unseren Fraktionsmitgliedern vorgebe.
Und das in Gelsenkirchen, einer Stadt, die im Wettbewerb der Kommunen und im Ringen um Arbeit, Ausbildung, Handel und Steuereinnahmen eigentlich jeden Einnahme- und Umsatzstrohhalm ergreifen und zum veritablen Tau machen muss?
Ich habe die Abstimmung über das Thema Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel in Gelsenkirchen für „meine“ Fraktionsmitglieder frei gegeben – weil ich das Thema für eine der ganz wenigen kommunalpolitischen Gewissensfragen halte, die im Rat entschieden werden können. Und wie Sie wissen, hat sich die CDU-Fraktion seit 2014  etwa jeweils zur Hälfte für die Anträge und etwa zur Hälfte gegen die Anträge auf Ladenöffnung an besagten und beantragten Sonntagen oder Feiertagen entschieden. Daran können Sie erkennen, dass die Debatte zum Thema uns inhaltlich bewegt und wir diesen inhaltlichen Spagat aushalten wollen, aushalten können und, als Spiegelbild gesellschaftlicher Diskussionen und gesellschaftlichen Verhaltens, auch aushalten müssen. Weil eben nicht alles was Recht ist, auch richtig, im Sinne von gerechtfertigt, ist.
 
Ich begrüße die aktuelle Initiative der christlichen Kirchen, der christlichen Sozialverbände und der Gewerkschaften sehr, mit der Sie uns eingeladen haben, Position zu beziehen und Farbe zu bekennen. Und hätte mir gewünscht, dass in den vergangenen Jahren Bewegungen wie die KAB oder die christlichen Sozialverbände mit ihrer Forderung „Sonntag muss Sonntag bleiben!“ mehr Gehör und Unterstützung gefunden hätten. Ich bin froh, dass die politische und gesellschaftliche Debatte zum Thema anhält – auch „befeuert“ durch Urteile deutscher und europäischer Gerichte.
 
Gleichwohl ist und bleibt die Entscheidung für einen Kommunalpolitiker nicht leicht und ich respektiere die Haltung von Kolleginnen und Kollegen in unserer Partei und Fraktion, die jenseits von profanen und eindimensionalen Standortüberlegungen mit sich um eine gute Entscheidung im Einzelfall ringen. Denn: banales schwarz-weiss-Denken hilft leider auch in dieser Frage kaum. Beispiel: es gibt Einzelhändler, mit denen wir selbstverständlich in einem engen inhaltlichen und politischen Austausch stehen und die sich auch in den letzten Tagen erneut öffentlich zum Thema geäußert haben, die sagen, eigentlich reichen mir, als lokalem Fachgeschäft, die vom Gesetz her möglichen Öffnungszeiten von Montag bis Samstag. Aber im Wettbewerb mit den Einzelhandelsketten, mit anderen Einzelhandelsstandorten diesseits und jenseits von Landesgrenzen und den Verkaufsportalen im Internet muss ich mich als lokales, inhabergeführtes Unternehmen den Marktanforderungen und Kundenerwartungen stellen – nicht zuletzt auch im Interesse der Sicherheit der Arbeitsplätze meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 
Das aus meiner Sicht eher platte „Argument“ mancher Öffnungsbefürworter, die auf andere Berufsgruppen und die dort geleistete Sonntagsarbeit verweisen, lasse ich persönlich erst einmal nicht gelten. Ich finde, es gibt einen Unterschied zwischen der im wahrsten Sinne des Wortes notwendigen Arbeit von Menschen die z.B. auch am Sonntag bereit stehen müssen, um Leben zu retten und der Arbeit, am Sonntag, beispielhaft gesprochen, Kerzen, Leberwurst oder Nachtwäsche zu verkaufen – damit spreche ich mich nicht gegen die Menschen aus, die diese Arbeit am Sonntag leisten und oftmals das zusätzliche Geld einfach zum Leben brauchen, sondern ich verweise auf das Tun an sich. Und ich unterscheide auch zwischen dem Shoppingevent einerseits mit dem damit verbundenen Arbeitsaufwand und den Menschen, die mit ihrer Arbeit die Freizeit- und Erholungsphasen anderer Menschen begleiten und ermöglichen.
 
Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir Überzeugungsarbeit für den Grundsatz des arbeitsfreien Sonntags, für Zeiten der Kontemplation, des Innehaltens, Zeiten für die Familie und das Miteinander leisten müssen und gemeinsam leisten können. Und ich bin davon überzeugt, dass der Einzelhandelsstandort Gelsenkirchen solange Recht ist was Recht ist nicht hinter die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Standorte zurückfallen darf. Welche Rolle und Bedeutung, welche Chancen oder auch gesellschaftspolitischen Risiken der Ratsbeschluss zum Thema Sonntagsöffnungen im Kontext der Überzeugungsarbeit hat, vermag ich nicht genau einzuschätzen. Aber der Zeitpunkt des Ratsbeschlusses ist sicher immer wieder auch so etwas wie ein Revisionspunkt zum Thema Akzeptanz der Sonntagsruhe in Politik und Bevölkerung. Und das finde ich gut!
Ich persönlich werde heute mit NEIN stimmen und ich persönlich respektiere jede JA-Stimme aus meiner Fraktion, weil ich weiss: sie ist in jedem Einzelfall auch gut begründet und nachvollziehbar. Die CDU-Fraktion hat die Stimmabgabe zur heutigen Vorlage frei gegeben.