Christina Totzeck, stellvertretende Fraktionsvorsitzende: Der Schutz der Sonntagsruhe ist unabdingbar
Sehr geehrter Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch wenn der shoppingfreudige Teil in mir allen Argumenten heute für die Sonntagsöffnungszeiten zustimmen kann, stehe ich heute hier, um Ihnen zu erklären, warum ich dennoch nicht zustimmen werde. Sicherlich gibt es in unserer Fraktion Kolleginnen und Kollegen, die sich bei dieser Frage in den letzten Jahren konstanter verhalten haben als ich. Dafür bin ich in den letzten Monaten zu einer neuen Haltung gelangt, weil mich unterschiedliche Aspekte und Fragen zu diesem Thema beschäftigt haben:
Welche Werte und Normen sind für mich als Kommunalpolitikerin wichtig? Welche Visionen und Ideen habe ich, unsere Gesellschaft mitzuprägen?
Wovon lasse ich mich leiten?
Lassen sich mich dazu ein paar Gedanken darstellen, die mich beschäftigt und beeinflusst haben. Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit habe ich in den letzten 13 Monaten über 100 Patienten unter Anderem die Frage stellen müssen:
„Fühlten Sie sich ruhelos oder unfähig, sich zu entspannen?“
Nicht einer dieser Patienten hatte dabei keine Schwierigkeiten. Gut, jetzt kann man sagen, dass das eine vulnerable Gruppe ist. Also habe ich auch mit Kolleginnen und Kollegen und im Bekanntenkreis über dieses Thema gesprochen. Und sie gefragt:
„Hör mal, wie gut kannst du dich eigentlich entspannen und was machst du dafür?“
Das ist natürlich nicht repräsentativ. Aber: Es waren fast immer die gleichen Antworten:
„In der Woche klappt das gar nicht. Am Samstag werden meistens noch Besorgungen und liegengebliebener Kram erledigt. Aber den Sonntag brauche ich, um wieder Kraft für die neue Woche zu tanken.“
Da wird Zeit mit der Familie verbracht, Sport getrieben, sich ausgeruht, gelesen etc. Also auch ganz unabhängig von einem religiösen Kontext, einfach weil unsere Normen das so vorgeben. Nun zurück zu meiner Frage von eben: Welche Normen und Werte sind wichtig?
Für mich ist der Schutz der Sonntagsruhe unabdingbar.
Und vielmehr: Wieviel Wert ist es uns, von diesen Normen abzuweichen, um einen weiteren Tag des Konsums zu ermöglichen?
Die Antwort, dass der Handel da signifikant von profitiere und damit mit dem Internetangebot besser mithalten könnte, lasse ich nicht gelten. Wenn man mal mit den Unternehmern vor Ort spricht, freut sich gar nicht jeder darüber und es macht auch nicht jeder einen Gewinn. Mit dem Internet mithalten zu können, würde im nächsten Schritt bedeuten, dass wir uns bald dann mit der Frage beschäftigen: Sollten nicht alle Läden rund um die Uhr zur Verfügung stehen?
Wieviel Wert ist es uns, das Höher-Schneller-Weiter-Denken mitzutragen? Sollten wir nicht als Politik auch mal anhalten?
Ich glaube nicht, dass es einer Gesellschaft gut tut, sich selbst die Ruhe und die Pausen zu nehmen. Für mich steht im Vordergrund, auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Schutz des Sonntags zu erhalten. Und bei 9 oder 10 Sonntagen sprechen wir nicht mehr von kleinen Ausnahmen sondern bereits von einer Regelmäßigkeit. Ich glaube nicht, dass einer Gesellschaft gut tut, wenn sie sich nicht die Zeit nimmt, Kraft zu schöpfen und sich auf individuell Wichtiges zu besinnen.
Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht teil einer Bewegung sein kann, die dieses Tempo weiter antreibt. Die Christin, die Therapieforscherin und die CDA-Politikerin in mir haben die shoppingfreudige Seite überstimmt. Deswegen heute mein Nein zu dieser Vorlage. Deswegen heute Nein und Enthaltung von einem Teil unserer Ratsfraktion.